Sanierung eines Einfamiliengebäudes  Neues Bauen

Bauherr: Privat

Leistungsphase: 1-8

Bestand

Schillerweg 11 – ein mutiger Entwurf im Jahre 1934

Im Jahre 1934 wurde der Mühlhäuser Architekt Alfred Marocke durch Georg Kumm aus dem Bozenerweg 1 mit dem Neubau eines Einfamilienhauses beauftragt. Das Baugrundstück war Teil seiner Gartenanlage zum damaligen Masurenweg (erst Philosophenweg, heute Schillerweg) der erst seit dem 22.07.1929 als „fertiggestellte Straße“ galt.

2 Blatt Zeichnungen und Statik seines Architekten reichte Georg Kumm am 27.09.1934 bei der örtlichen Baupolizei mit der Bitte um „provisorische Baugenehmigung zum Baubeginn“ ein. Sein Schreiben endete mit „deutschem Gruss und Heil Hitler“. Nach der Vermessung im September 1934 und dem Antrag auf Bau des Schmutzwasserkanals wurde bereits im November 1934 die Baugenehmigung für den modernen Neubau erteilt. Dem Antrag auf Errichtung einer Gartenmauer folgte nur noch deren Genehmigung im Februar 1935 und ein Nachtrag vom Juni 1935, in dem der hintere Abschluss des Gebäudes mit ursprünglich geplantem Wintergarten vor einem Erker auf der angebauten Garage noch einmal deutlich vereinfacht wurde. In der Ausführung rückte die Garage näher an den Hausabschluss, auf den Erker und den Wintergarten wurde verzichtet.

Die Denkmalausweisung vom Dezember 2003 beschreibt das Gebäude wie folgt:

„1934-35 von Alfred Marocke erbautes Einfamilienhaus, das konsequent den Ideen des „Neuen Bauens“ folgt. Der verputzte Massivbau unter Walmdach erhebt sich über unregelmäßigem Grundriß und setzt sich aus kubischen Baukörpern zusammen. Der Entwurf lebt von über Eckgestellten Fenstern, die Putzfassaden werden durch Klinkermauerwerk belebt. Die Innenräume sind klar und schlicht gestaltet, aus der Bauzeit erhalten sind Fußböden, Türen und die Treppenanlage.

Das gebäude ist ein Beispiel der Moderne in Mühlhausen und stellt zugleich eine Entwicklungphase im Oevre des Architekten dar.“

Die beiden vom Architekten Marocke im Jahre 1925 gebauten Gebäude Schillerweg 52 (Villa Rosenhof) und Schillerweg 53 (für den Amtsgerichtsrat Dr. Drost, später Familie Kleeberg) unterscheiden sich tatsächlich grundsätzlich von der Idee des „Neuen Bauens“ und werden noch in älteren Denkmalausweisungen als „Maison de plaisance“, also als Land- oder Lusthaus beschrieben und weisen noch deutlich Bezüge zum historistischen Neorokoko auf.

Das „Neue Bauen“ dagegen, ab ca. 1920, sah das neue Ideal in der „Wohnmaschine“, es entstanden klare, kantig geschnittene Fassaden – oft ohne Details – die abweisend und kalt wirken können.

Die typische Farbe des „Neuen Bauens“ war nämlich zunächst weiß, die Häuser wirkten aus der Ferne oft leuchtend aber aus der Nähe auch grell.

Der wohl wichtigste Repräsentant dieser Strömung, der Architekt Bruno Taut, befand sich im Jahre 1933 bereits endgültig im Ausland, von den Nationalsozialisten wurden die Werke des

„Neuen Bauens“ nämlich als „Kulturbolschewismus“ rundweg abgelehnt.

In diesen Zusammenhang wirkt der Entwurf Alfred Marockes und die Beauftragung zum Bau durch den Auftraggeber Georg Kumm besonders mutig und fortschrittlich – trotz „deutschem Gruss und Heil Hitler.“

Problematik
Das Gebäude beinhaltet noch vollständig die (erhaltenswerte) wandfeste Ausstattung, ist über die Jahrzehnte von den Wandoberflächen, Böden und der technischen Ausstattung abgewohnt und überaltert. Das Gebäude ist zwar massiv, aber aus halbsteinigen Wänden mit Luftschicht konstruiert, eine bauliche Besonderheit, die sich nur zwischen 1920 und 1935 findet und sich nicht durchgesetzt hat.

Zielstellung
Der Respekt soll sich natürlich auch im Umgang mit der denkmalgeschützten Bausubstanz widerspiegeln. Die Modernisierung soll sich auf technische Installationen und energetische Maßnahmen beschränken. Die Wärmedämmung erfolgt als Kerndämmung zwischen den beiden halbsteinigen Mauerschalen.

Die Raumdispositionen werden mit Ausnahme einer geplanten Verbindung von der bislang eher kleinen Küche zum Wintergarten konsequent unangetastet. Architektonisch und bauhistorisch relevante Details wie Wandschränke, klappbare Rollläden, Türen und Bodenbeläge werden in die neue Nutzung einbezogen.

Die ursprüngliche Farbigkeit soll untersucht werden und als Grundlage des Farbkonzepts dienen, die Landschaftsgestaltung soll sich am spannenden Geländeprofil und der vorhandenen Terrassierung anlehnen.

Dem fortschrittlichen Entwurf des Alfred Marocke soll auch im Wandel der Zeiten mit sensibler Vorgehensweise und Respekt begegnet werden, der dieser seit dem Jahre 1935 überkommenen  und unveränderten Bausubstanz mit all ihren Details und auch tatsächlich gerecht wird.Die Eleganz des reinen Baukörpers steht in seiner Leuchtkraft nämlich diametral der Zeit gegenüber, in der er gebaut worden ist.

Ausführung
Baubeginn ab August 2016. Die Fertigstellung (ohne Gartenanlage und Carport) erfolgte im Juni 2017